Was bedeutet es, sich seiner selbst
in der heutigen Wirklichkeit bewusst zu werden?

 

Mobiltelefonie, Internet und Massenmedien, aber auch Fernreisen und Belletristik stellen das gegenwärtige Bewusstsein vor bislang unbekannte Herausforderungen. Unterschiede zwischen Fiktion und Realität, Öffentlich und Privat, Lüge und Wahrheit oder auch Ferne und Nähe verschwimmen nicht nur, sie werden in jedem Augenblick des Lebens spielerisch überschritten.

 

Es ist daher schwieriger geworden, sich seiner Gegenwart im Hier und Jetzt zu versichern und darüber zu einem kontingenten Normalzustand zu finden. Es ist noch komplexer, die verschiedenen Ebenen mit Medienkompetenz zu moderieren, ohne zu viel, oder zu wenig über sich preiszugeben. Bewusstsein oszilliert heute zwischen verschiedenen Oberflächen, Orten und Mediengenres die intuitiv jeweils verschiedene "Qualitäten von Realität" zugeschrieben bekommen: In einem Moment sind wir in ein Hörbuch versunken, im Nächsten verlassen wir das Flugzeug und begeben uns - durch eine fremde, weit entfernte Stadt - zu einem Meeting über Rechnungslegung.

 

Unser Bewusstsein kontrolliert diese verschiedenen Wirklichkeitsebenen bislang ganz passabel. Trotzdem liefert diese Transformation des Bewusstseins selbstverständlich allen Grund, die Aufmerksamkeitsökonomie, die soziale Einbettung und die Wissensordnung zu hinterfragen, die ihm zugrunde liegen: Wie genau man sich seiner selbst bewusst wird, ist nämlich - dem Bemühen zahlloser Wissenschaften, Religionen und Künste zum Trotz - nach wie vor unbekannt.

 

Einiges aber lässt sich vom Standpunkt des Augenblicks aus bestimmen:  Hier und Jetzt entsteht Bewusstsein in einem interdependenten Prozess, der zwischen einem ICH und der jeweils aktuellen Lebenswelt abläuft. Das impliziert einerseits, dass die Lebenswelt primär durch mich bewusst wird und dass die Art ihres Erscheinens von mir abhängt. Ändere ich mich und meine Wahrnehmung, ändert sich auch meine Wirklichkeit.

 

Andererseits wird das Bewusstwerden dadurch bedingt, dass die Wirklichkeit nicht beliebig ist, sondern auf mich einwirkt und mich verändert. Die Art, wie ich sein und werden kann, hängt ab von den Möglichkeiten in der Welt. Wahrnehmung und Medialität kanalisieren diesen Prozess der Bewusstwerdung, in dem im Hier und Jetzt ein ICH und eine (oder mehrere) Wirklichkeit(en) entstehen.

 

Geht man mit dieser Strukturierung des wahrgenommenen Augenblicks konform, entdeckt man schnell Wege der Selbst- und Weltveränderung. Und man entdeckt Zweifel und Fragen, die mit verschiedenen Methoden formuliert, beantwortet und verwirklicht werden können.

 

Im Fokus unserer gemeinsamen Forschung stehen Techniken der Wahrnehmungsveränderung und Wahrnehmungserweiterung, sowohl als überlieferte Traditionen, wie als gegenwärtig entwickelte Innovationen in den Bereichen Theater, Tanz, Körperkunst, Wahrnehmungskunst, Aufmerksamkeitstechniken und Experimente bis hin zur Wissenschaftstheorie. Des Weiteren sind Darstellungsmedien und Darstellungsformen interessant, die es erst ermöglichen, ein Wissen fassbar zu machen und weiterzugeben.

 

Das Spannungsfeld der spielerischen und wissenschaftlichen Neugier reicht mithin vom Körper über den Intellekt bis hin zur Außenwirkung, wobei jedes Individuum primär als Forscher und Erweiterer der eigenen Wirklichkeit verstanden wird.